Philipp von Zesen               Auf die Augen seiner Lieben

1619 – 1689

Ihr augen fol von gluht! was gluht? karfunkel-strahlen:
auch nicht! si sein ein bliz / dehr durch di lüfte sprüht
und sich aus ihrem aug / bis in di meinen züht.
nicht blizze; bolzen sein's / damit si pflägt zu prahlen /


damit si pflägt den zol der libe bahr zu zahlen.
nicht bolzen; sonnen sein's / damit si sich bemüht
zu bländen andrer lücht; di keiner ihmahls siht /
der nicht gestrahft mus sein. nicht sonnen; stärne tahlen /


vom himmel ihrer stirn': auch nicht: was säh ich schimmern /
dan gluht ist nicht so feucht / karfunkel strahlt nicht so /
der bliz hat minder kraft / der pfeil macht jah nicht fro /


die sonn' ist nicht so stark / ein stärn kan nicht so glimmern /
wahr-um dan sihet sie däs Folkes aber-wahn
fohr gluht / karfunkel / bliz / pfeil-son- und stärnen ahn?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Dactylisches Sonnet

1619 – 1689

Heilige Hertzen und heilige Sinnen,

Schmäcket und sehet die geistliche Lust,

Welche soll Ihnen seyn billich bewust;

Salomons Geistlichen Heliconinnen

 

Läßet das heilige Brünnelein rinnen

Nectar, und labet die durstige brust:

Reichlich ergießet sich selbiger must:

Laßet uns Diesen mit Liebe gewinnen

 

Welchen uns Salomon artlich beschreibt,

Welcher uns schmertzen im hertzen vertreibt:

Dencket doch aber und mercket darneben,

 

Daß Ihn entzündet der Heilige Geist,

Solche geheimnüß kein Mensche beweist,

Daß er ergründe das Göttliche Leben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Ein Jambisch Echonisch Sonnet

1619 – 1689

Ach könt ich doch den busch erreichen!               E(cho:)    eichen.

Da wo mein Liebster innen sitzt!                         Ech.         itzt.

Mein hertz vor lieb’ ist aufgeritzt.                         Ech.         ritzt.

und wil vor angst fast gar verbleichen.                  E.            leichen.

 

Ich ruff euch an Ihr schönsten Eichen,

Die Ihr die Wälder zieret itzt.

Doch hör’ ich nichts als wie da blitzt.                   Ech.         itzt.

Der Wider-ruff auff mich mit keichen.

 

Ich komme zu den klüften auch.                          E.            lüften auch.

und schrey nach meinem alten brauch,

Da ist auch gäntzlich nichts zu hoffen,                Ech.         zu hoffen,

 

Als nur der bloße widershall,                                 Ech.         hall,

der sich ereignet überall;

Mein mund steht mir ohn ablaß ofen.                 Ech.         laß hoffen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen                  Trochäisch Sonnet                

1619 – 1689

Seyn die Spiegel, seyn die Bügel,

Adelheit, nicht lauter gold?

Adelheit, der Ich bin hold,

und verbleibe biß der Schniegel

 

Werden wird zum schwartzen Iegel,

Biß der raue Trunckenbold

geben wird der Tugend sold,

Biß der klare Jungfer-spiegel

 

Seinen wiederschein nicht mehr

Zeige diesem Jungfer-heer:

Seyn die bügel zu dem Krantze

 

Nicht aus gold? was wiltu dann

Ihn von mir nicht nehmen an,

und Ihn tragen bey dem tantze?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen                  Alexandrinisch Sonnet

1619 – 1689                                        So sich mit weiblicher endung anfäht

                                                               Auf die Haar einer Jungfer

 

Seyn das die güldnen haar? ach gold! sie können zwingen

und binden meinen muth mit ihrem glantz an sich;

Nicht bande; straalen seyns; damit sie bländet mich

die Sonne meiner zeit; Nicht straalen; blitze dringen

 

mit eingemischt herzu, und in den Lüfften ringen;

Nicht blitze; Seenen seyns, davon so seuberlich

die güldnen pfeile schiest der kleine Wütherich.

Nicht Seenen; was denn sonst so unter vielen dingen?

 

Dann gülden seyn sie nicht, weil gold nit halb so theuer,

auch bande seyn sie nicht, weil bande fester seyn;

Auch Sonnenstrahlen nicht, weil nur ein Sonnenschein;

 

Nicht blitze; weil der blitz ein augenblicklich feuer,

auch seyn die seenen nicht. Noch werden sie mit macht

gold, straalen, banden, blitz und seenen gleich geacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen                  Alexandrinisch Sonnet

1619 – 1689                                        Welchs ein männlicher Vers anfäht

                                                               über Wittenberg

 

Was ist dis für ein Sitz? Was ist dis für ein ort?

Ist hier nicht Tullius? nein. Buchner der Beredte,

den mann zu rühmen weis, wo Titan geht zu bette,

und wider auffersteht: Was hört man für ein wort?

 

Der Götter Ausspruch? nein. Hier ist derselbe port,

wo Luther erstmahls hatt gestritten ümb die wette

und ritterlich zerbrach des Pabstes starcke kette,

der uns gefangen hielt: Der Ablas muste fort;

 

Das wort, das edle wort quoll lauter rein und klar,

hier hier erwehlte Gott sein Feuer und Altar;

Nun quillt noch weiter fort die himmelische Lehre;

 

Hier lehrt der Alten Fürst der große Mann Martin,

Herr Röber, Hülsemann, Scharff, Sperling viel erzihn,

So dann auch werden seyn der Wittenberger Ehre.

 

 

 

Philipp von Zesen              

1619 – 1689

Wer hat so süsses sprächen,

das aug’ und ohr verführt?

das schweer-muht mier gebührt?

das mund und hertz kan schwächen?

 

Das rieseln in den bächen,

das sich so leise rührt,

und sich in sich verlührt,

kan lüfte nicht so brechen.

 

Ach schaut! mein trautes Lieb ist da,

das kan so süße sprechen;

ich seh, ich seh ihr bild, ach ja!

selbst Rosemund, einbrechen.

Gegrüßest seist-du schönster Strahl,

und auch wilkommen tausendmahl!

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen              

1619 – 1689

Wie kömmt es dann, daß ihr, ihr schönen halbgöttinnen,

ihr Jungfern gegen nord, itzund so traurig seid?

Ach! unsre Schwester liegt, die schöne zier der zeit;

der adliche verstand und muht gebricht den sinnen.

 

Soll keine jungfer mehr in eurem zimmer drinnen,

als neun und viertzig, sein? die auch ein trauerkleid

üm unsre schwester trüg? ach! denk’ ich nicht so weit!

die fünftzigst’ ist verblasst und wird geführt von hinnen.

 

Ihr schmertzen-töchter ihr, ihr heisse zehren kwellt,

befließet mildiglich das weisse wangen-feld,

und macht es soht wie bluht. Wer wolte wol nicht weinen,

 

weil solch-ein edles Bluht die welt gesegnen mus

im lentzen seiner zeit, o harter himmels-schlus!

Die schöne sonne wil auch nicht wie formals scheinen.

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               An die Stat Leipzig

1619 – 1689

Was ist dis für ein schöner tohn? wes ist dis süße singen?

das sich erhöben kan so hoch, und brechen durch den neid,

das, Leipzig, dich berühmet macht, du schöne zier der zeit.

Wie? lässt nicht Föbus selbst in dier die hohlen Lieder klingen,

 

Und lehrt in deutscher Poesie die güldnen seiten zwingen?

Dan Flemming übte sich in dier mit singen allbereit,

dem Lund und Olearien nichtss fehlt an zierligkeit;

ja Hartmann, Bremen, Finckeltaus und Heinsius sich schwingen

 

bis an den blauen himmels saal und geben dier den preis,

weil sie, o schöne Stat, in dier durch angenehmen fleis

den Opitzinnen abgesiegt und ihr versüßtes spielen

 

bei früh- und später abens-zeit erlernet und geübt;

drum dich, o schöne Musen-Stat, ein ieder ehrt und liebt.

Der Sänger-fürst spitzt auf dein Lob die zahrten federkielen.

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Als die Buchtrukkerei-verwandten ihr freuden-feier

1619 – 1689                                        im 1640. Jahre, am Johannestage begingen

 

Es seind zwar wohl die Alten hoch gestiegen;

Ein höltzern bild gab Dedalus herfür,

das selbsten gieng lebhafftig wie ein tier.

Architas holtz kont’ in den Lüften fliegen

 

nach tauben-art; Homerus hälfte liegen

in einer nus geschrieben auf papier;

Des himmels lauf bringt Archimed herfür

gesätzt ins glas: Dioch war damals im kriegen

 

kein Jupiter, der auf der erden blitzt,

kein Alchimist, kein Münch der Pulver nützt;

Zu Gallen ward auch Tanto nicht verspüret,

 

der uns gelehrt den wehrten glokken gus;

Die Trukkerei, so itzund trotzen mus

Athen und Rom, ward damals nicht geführet.

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Ein Klingendes, darinnen das zwei-bändige

1619 – 1689                                        über-folkomne und folkomne reimband miteinander

                                                               geschränket werden

 

Ihr frischen wasser, und ihr steine,

ihr bäume, felder, thal und wald,

ach hört! wie seuftz’ ich mannigfalt;

schreibt auf mein letztes wort, ihr haine,

 

seid meine schreiber, wie ich weine,

grabts in die rinden, daß es bald

bekleibe, wan ich werde kalt,

und leb-loß ähnlich bin dem scheine.

 

Ich sterb’ aus lauter grausamkeit

der Liebsten, welche mich (ach leid!)

hat niemahls wollen lieb-gewinnen.

 

Nun gute nacht, ihr meine lust,

ihr wälder, die ihr mier bewußt,

und oft erfrischt die matten sinnen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen              

1619 – 1689

Mahnde, dessen blasser schein bei der braunen nacht sich zeiget,

und ihr güldnen himmels lichter, gönnet uns doch euer licht,

schimmert doch mit euren strahlen, bis der frühe tag anbricht.

Wolt ihr nicht? hier ist der glantz, wo mich nicht ihr blitz betreuget,

 

so aus ihren augen geht, und in mein gesichte steiget.

Bleib, o blum’ und licht der jugend, du schneeweisses angesicht,

das den liljen, das den rosen, ja der sonnen weichet nicht:

Bleibe bei uns diese nacht, da das süße luft-volk schweiget,

 

da die sonne nicht mehr scheinet, und das trauren uns besitzt;

sei mein licht und meine sonne, weil so lieblich zu mir blitzt

deiner Augen güldnes licht, wan der abend kommt gegangen,

 

wan die trübe nacht hergehet, und das schwartze trauer-kleid,

um die braunen lenden hüllet: zeige deine liebligkeit,

dein gewohntes freundlich sein, zeige deine rosen-wangen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen              

1619 – 1689

Tugend will ich allzeit lieben

tugend ist der beste freund,

wan die güldne sonne scheint,

wan die wolken uns betrüben,

 

wan wier uns im reisen üben:

Tugend wird uns nimmer feind,

alles ist sehr wohl-gemeint;

Freunde wie der rauch verstieben,

 

tugend aber immer bleibt,

die kein armuth nicht vertreibt;

Freunde, wan sie gleich verbunden

 

sich zu geben in den tod;

wan wir aber seind in noth,

wird nichts flüchtigers gefunden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Trost- und kling-gedicht

1619 – 1689                                        von langen hüpfenden oder rollenden reim-bänden,

Als H. H. Hermanns liebes ehgemahl,

Fr. Klare Sofie Schultzin, todes verblich

 

Stellet das grämen und hermen bei seite,

eure gemahlin ist gäntzlich nicht todt,

ob sie schon lässet die zeitliche noht,

ob sie schon euere gegenwart heute

 

lässet, und erbet die ewige beute,

da sie wird schauen den süßesten soot,

nektar und manna, das himmlische brot,

und die verklärtesten weisesten leute,

 

ia mit der kläresten weisheit begabt!

die Sie auf Erden nur etwas gehabt.

Die Gherubinen entfangen sie schöne,

 

der adamantine himlishe saal,

zieht Ihr entgegen mit grosser anzahl;

Ach, wer auch hörte das schöne gethöne!

 

 

 

 

 

 

Philipp von Zesen               Kling-Gedicht

1619 – 1689                                        von gegen-hüpfenden

 

Ihr wälder und felder, ihr täler und steine

ach sehet! die tränen, den traurigen sinn,

wie einsam ich sitze, wie traurig ich bin.

Laßt eure begrünte lust trauren, ihr haine,

 

weil keine mich tröstet, mus sitzen alleine,

mus klagen, leid-tragen und zagen forthin;

betrübnüs ist itztund mein bester gewinn.

Ich ächtze vor langmuth, bin ähnlich dem scheine

 

und niemand erbarmet sich meiner itzund.

Die wangen seind tunkel, der rößliche mund

verblasset vor tränen, der ahtem verschwindet.

 

Ich ruffe mit kräften und seuftze mit macht,

wan Hesperus schildert und Venus erwacht,

da niemand das klagen und seuftzen entfindet.